Gemäldeanalyse mit IDS uEye SE Kameras

Alten Meistern auf der Spur

Gemäldeanalyse mit IDS uEye SE Kameras

Die "Felsgrottenmadonna" (Virgin of the Rocks) ist ein berühmtes Werk von Leonardo da Vinci und zeigt die Jungfrau Maria mit dem Christuskind, dem Johannesknaben sowie dem Engel Uriel in einer Felsgrotte. Das Gemälde ist eine von drei Tafeln, die alle von einem aufwendigen und teilweise gemeißelten Altarbild stammten, das für die Kirche San Francesco Grande in Mailand angefertigt wurde. Eine der tatsächlich zwei Fassungen hängt in der National Gallery in London. Seine heutige Strahlkraft verdankt das Gemälde einer aufwändigen Restauration. Zum Einsatz kamen dabei modernste Untersuchungsmethoden inklusive Bildverarbeitungstechnik. Das räumlich auflösende Mikro-Röntgenfluoreszenz-Spektrometer M6 JETSTREAM der Bruker Nano GmbH Berlin spielte dabei eine entscheidende Rolle. Es ermöglicht Untersuchungen der kleinsten Farbteilchen und taucht in die Tiefe der Farbschichten ein. Zwei USB Kameras der IDS Imaging Development Systems GmbH liefern optische Informationen zur Probenoberfläche und sorgen für die exakte Positionierung über dem Messbereich.

Anwendung

Auch große Meisterwerke kommen in die Jahre. Farbveränderungen wie Vergilbung oder kleine Beschädigungen trüben die Leuchtkraft der Farben und müssen von Zeit zu Zeit ausgebessert werden. Bei einem Bild wie der "Felsgrottenmadonna" ist äußerste Vorsicht geboten. Der Restaurator muss Maltechniken studieren und genau wissen, welche Farben in ihrer chemischen Zusammensetzung zum Einsatz kamen, um die Einzigartigkeit des Bildes nicht zu zerstören. Nach mehrjähriger Forschung über die Machbarkeit und Sicherheit einer möglichen konservatorischen Behandlung wurde da Vincis Londoner "Felsgrottenmadonna" schließlich gereinigt und restauriert. Die Behandlung erfolgte in erster Linie aus ästhetischen Gründen, da das Bild durch den starken Abbau eines 1949 aufgetragenen Öls und Mastixlacks immer dunkler und schlechter "erkennbar" geworden war.

Die analytischen Untersuchungen des Gemäldes wurden nicht nur vor Beginn der Behandlung, sondern auch während der Reinigung durchgeführt. Damit konnten wertvolle Informationen zum Zustand der Oberflächenschichten sowie zum Schichtaufbau und den verwendeten Materialien gesammelt werden.  Die Untersuchung der Elementzusammensetzung gibt dabei gleichzeitig Auskunft über die Authentizität der Farben. So haben große Künstler zwar einige Farben „auf dem freien Markt“ gekauft, aber die für sie typischen selber angemischt. Somit können die verwendeten Farben Hinweise auf die Echtheit eines Gemäldes geben. Ist dagegen der Maler nicht genau bekannt oder arbeiteten mehrere zeitgenössische Künstler an einem Werk, können die Art der Pinselstriche sowie die Farbwahl aufzeigen, wem welcher Bildteil zuzuordnen ist.  So wurde die zweite Fassung der "Felsgrottenmadonna" wohl von Leonardo da Vinci begonnen und fortgeführt durch seinen Schüler Ambrogio de Predis. Das Wissen über Leonardo da Vincis Malpraxis konnte durch die Analysen stark erweitert und auch dokumentiert werden.

Zerstörungsfreie Bildanalyse dank Bildverarbeitung

Modernste Bildverarbeitung unterstützt heutige Restauratoren bei dieser Arbeit. Im Falle von da Vincis Werk kam das M6 JETSTREAM Spektrometer der Bruker Nano GmbH zum Einsatz.

Bestückt mit IDS Kameras offenbart das System die Zusammensetzung der Farben auf nicht-invasive und zerstörungsfreie Weise. Es führt Röntgenfluoreszenzmessungen an einzelnen Punkten (100 Mikrometer und kleiner) großer Flächen durch. Diese punktgenaue Röntgenfluoreszenzspektroskopie (Mikro-RFA) erlaubt es, die elementare Zusammensetzung einer Probe zu bestimmen, also exakt zu registrieren, welche Elemente (Schwermetalle, Blutfarbstoff, Kohlenstoff, etc.) in den Farben vorhanden sind. Die Messpunkte können 'on the fly', also während der Bewegung des Messkopfes aufgenommen werden. Dies ermöglicht eine schnelle Oberflächenanalyse (sog. Mapping).

Gemäldeanalyse mit IDS uEye SE Kameras
Das M6 JETSTREAM analysiert die Farbzusammensetzung mithilfe von IDS Kameras
Gemäldeanalyse mit IDS uEye SE Kameras
Die "Felsgrottenmadonna" von Leonardo da Vinci im Analyseprozess
© National Gallery London

„Das M6 JETSTREAM Röntgenfluoreszenzspektrometer liefert uns eine große Datenmenge an Elementinformationen, die einen Rückschluss über die Pigmente und deren Position im Lackschichtaufbau zeigen", erklärt Michele Gironda, Market Segment Manager Art & Conservation bei der Bruker Nano GmbH. "Es kann beispielsweise auch spätere Änderungen und Ergänzungen im Bild aufdecken, und gegebenenfalls Unterschiede im Pigmentverbrauch und Schichtenaufbau zwischen verschiedenen Künstlern aufzeigen“.

Ein Gemälde wird also Punkt für Punkt und Zeile für Zeile mit einem fokussierten Röntgenstrahl gescannt. Die den Pigmenten in jedem Bereich zugeordneten Elemente emittieren dabei jedes für sich eine eigene charakteristische Strahlung, eine sogenannte Röntgenfluoreszenz, die von den Detektoren im Spektrometer registriert wird. Auf diese Weise werden in einer Reihe von Kontrastbildern chemische Informationen über das gesamte Gemälde gesammelt.

Wurde zum Beispiel Kupfer (Cu) im Weiß eines Gemäldes entdeckt, deutet dies auf die Verwendung von Azurit hin, einem Blau auf Kupferbasis in der weißen Farbe. Basierend auf den erfassten Elementen können die meisten Pigmente mit dieser Technologie identifiziert werden. Nebenbei kann die Analyse damit auch Aufschluss über die Geschichte eines Objekts geben und so manches Geheimnis offenbaren. Immer wieder finden sich hinter der Farbe an der Oberfläche versteckte Werke im Hintergrund und das eine oder andere verschollene Kunstwerk kommt unverhofft zum Vorschein - übermalt, z.B. weil der Künstler es nicht gut fand oder einfach die Leinwand benötigte.

Gemäldeanalyse mit IDS uEye SE Kameras
Das Zink-Elementverteilungsbild rechts zeigt ein zinkhaltiges Grundmaterial einer ersten, aufgegebenen Komposition

Detaillierte Erkenntnisse

Die wichtigste neue Information aus der Röntgenfluoreszenzanalyse der "Felsgrottenmadonna" war der Fund einer zinkhaltigen Unterzeichnung in der ersten Bildkomposition. Die Existenz dieser Zeichnung war im Vorfeld bereits bekannt, konnte aber durch die Röntgenfluoreszenzanalyse - insbesondere in Kombination mit der hyperspektralen Bildaufnahme - viel deutlicher sichtbar gemacht werden. Besonders interessante Änderungen zeigen sich zum Beispiel im Faltenwurf des Gewandes der Jungfrau (gemalt mit einer Unterschicht aus kupferhaltigem Azurit) und in der Position des Gesichts des Christuskindes, aus der ursprünglichen Dreiviertelansicht wurde das jetzt gemalte Profil (gesehen im Pb-Lα Map).

Gemäldeanalyse mit IDS uEye SE Kameras
Die Cu-Kα, Pb-Lα und Pb-Mα Maps zeigen einige der Änderungen an der Drapierung des Umhangs der Jungfrau und an der Position des Gesichts des Christkindes

Kameras im Einsatz

Die Bruker Nano GmbH integriert IDS Kameras in ihre Röntgenfluoreszenzspektrometer M4 TORNADO/TORNADOPLUS und M6 JETSTREAM. Das M4 TORNADO Spektrometer ist Marktführer im Bereich der Oberflächenanalyse mittels Mikro-RFA. Es bietet eine Punktauflösung von 20 µm und die Möglichkeit, alle Elemente im Periodensystem von Kohlenstoff (optional) bis Uran zu analysieren. Es wird u.a. für die Untersuchung von mineralischen Proben und zur Schichtdickenanalyse eingesetzt. Durch seinen Messbereich von 800 mm x 600 mm und seine variablen Aufstellungsmöglichkeiten ist das mobile M6 JETSTREAM Spektrometer hingegen ideal für die Untersuchung größerer Kunstwerke.

In allen dienen je zwei USB 2 uEye SE Industriekameras mit einer Auflösung von 1024 x 768 Pixeln zur Darstellung der Probenoberfläche in der Bruker-Software. Vor der Röntgenfluoreszenzmessung wird mithilfe einer Kamera ein Bild der Probenoberfläche erzeugt, um danach die Elementzusammensetzung und die optische Information zusammenführen zu können. Dazu wird aus Kamerabild und Elementverteilung ein sich überlagerndes Bild erstellt. "Das Videobild kann mit dem Elementverteilungsbild überlagert werden, um Zusammenhänge optisch sichtbar zu machen. Geschwindigkeit, Baugröße und Schnittstelle der USB 2 uEye SE Kameras passten hierfür perfekt.", erläutert Michele Gironda.

Außerdem werden die Kameras im Livebild-Modus verwendet, um die gewünschten Messpunkte bzw. -bereiche auf der Probe anzufahren und den Arbeitsabstand mittels Fokussierung des Kamerabildes einzustellen. Der Messkopf des M6 JETSTREAM Spektrometers beinhaltet eine Mikrofokus-Röntgen-Röhre und eine Kapillar-Optik mit stufenweise einstellbaren Messfleckgrößen. Dabei sind Messgeschwindigkeiten von bis zu 100 mm/s realisierbar. Das Fluoreszenzspektrum wird mit Siliziumdriftdetektoren (SDD) gemessen.

Gemäldeanalyse mit IDS uEye SE Kameras
Zwei USB 2 uEye SE Industriekameras von IDS sorgen u.a. für die exakte Positionierung des Messbereichs © Bruker Nano GmbH

Denn klein, kompakt und robust, das sind die Hauptmerkmale der uEye SE Produktfamilie von IDS. Die Allround-Kamera zeichnet sich außerdem durch eine große Auswahl an Gehäuse- und Boardlevel-Modellen sowie ein breites Sensorportfolio aus. Die Systemintegration ist einfach und gelingt schnell, dank Plug & Play durch die IDS Software Suite. Das Anwendungsspektrum im industriellen und nicht-industriellen Bereich ist damit vielfältig. Neben der von der Bruker Nano GmbH eingesetzten USB 2.0 Variante, stehen Modelle mit USB 3.1 Gen 1 oder GigE Schnittstelle - auch mit GigE Vision® Interface - zur Verfügung.

Ausblick

Die "Felsgrottenmadonna" kann durch die Reinigung und Entfernung des verzerrenden Lackes wieder ihre volle Kraft, Schönheit und magische Wirkung entfalten - auch dank des Mikro-Röntgenfluoreszenz-Spektrometers M6 JETSTREAM der Bruker Nano GmbH. Diese sind auf dem Kunstmarkt einzigartig. Mit Hilfe der Bildverarbeitung eröffnen sie völlig neue Perspektiven für die Analyse von Gemälden und anderen Kunstwerken. Bruker erwartet daher weiterhin gutes Wachstum des Mikro-RFA-Marktes und einen steigenden Bedarf an noch höher aufgelösten Bildern und Elementverteilungen. Ob in der Farbzusammensetzung, der Maltechnik, der Authentizität oder in Bezug auf den geschichtlichen Hintergrund, ob im Museum vor Publikum oder im Labor  – mit dieser Applikation kommen Kunsthistoriker, Restauratoren und Forscher ungeahnten Geheimnissen alter Meisterwerke auf die Spur.