Autonom fahrendes Robotik-Assistenzsystem mit Ensenso 3 D-Kamera ermöglicht die automatisierte Bestückung von Gattern mit Garnspulen.

Aufgehoben und aufgeschoben

Autonom fahrendes Robotik-Assistenzsystem zur automatisierten Bestückung von Spulengattern

Durch den Industriestandard 4.0 werden Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung von Systemen und Anlagen zu den vorherrschenden Themen in der Produktion und damit auch in der Logistik. Dabei verfolgt Industrie 4.0 die zunehmende Optimierung von Prozessen und Abläufen zugunsten von Produktivität und Flexibilität und damit die Einsparung von Zeit und Kosten. Robotersysteme sind zur Automatisierung von Prozessen zur treibenden Kraft geworden. Durch das Internet of Things (IoT) werden Roboter zunehmend sensitiver, autonomer, mobiler und einfacher zu bedienen. Mehr und mehr entwickeln sie sich zum alltäglichen Helfer in Fabrik- und Lagerhallen. Intelligente bildgebende Verfahren spielen dabei eine immer größere Rolle.

Um den wachsenden Anforderungen in skalierenden und sich wandelnden Produktionsumgebungen hin zu einer voll automatisierten und intelligent vernetzten Produktion zu begegnen, hat das Unternehmen ONTEC Automation GmbH aus Naila in Oberfranken (Bayern) ein autonom fahrendes Robotik-Assistenzsystem entwickelt. Der "Smart Robot Assistant" nutzt dabei die Synergien aus Mobilität und Automatisierung: er besteht aus einer leistungsstarken und effizienten Intralogistikplattform, einem flexiblen Roboterarm sowie einem robusten 3D-Stereo-Kamerasystem aus der Ensenso N-Serie von IDS Imaging Development Systems GmbH.

Die Lösung ist vielseitig einsetzbar und übernimmt beispielsweise monotone, gewichtige Rüst- und Bestückungsaufgaben. Das autonome Transportsystem eignet sich für bodenebenes Anheben von Europaletten bis zum Container- oder Industrieformat sowie von Gitterboxen in verschiedenen Größen mit einer maximalen Last von bis zu 1.200 Kilogramm. Für einen Kunden aus der Textilbranche dient das AGV (Automated Guided Vehicle) der automatisierten Bestückung von Spulengattern. Dafür nimmt es Paletten mit Garnspulen auf, transportiert sie zum dafür vorgesehenen Gatter und bestückt dieses zur Weiterverarbeitung. Über ein eigens entwickeltes Greifsystem werden damit bis zu 1000 Garnspulen pro 8 Stunden-Schicht aufgenommen und auf einen Dorn des Gatters aufgeschoben. Das Schlichtschema und die Position der Spulen werden mittels einer am Greifarm installierten Ensenso 3D Kamera (N45 Serie) erfasst.

Anwendung

Mit Industriegarnspulen bestückte Paletten werden vom Boden eines vordefinierten Stellplatzes aufgenommen und zum Standort des Gatters transportiert. Dort positioniert sich der Greifer vertikal über der Palette. Ein Bildtrigger wird an die Ensenso 3D Kamera aus der N45 Serie gesendet, ausgelöst durch die hauseigene Software ONTEC SPSComm. Es vernetzt sich mit der SPS des Fahrzeugs und kann so Daten auslesen und weitergeben. Im Anwendungfall regelt SPSComm die Kommunikation zwischen den Softwareparts von Fahrzeug, Greifer und Kamera. Hierdurch weiß die Kamera, wann Fahrzeug und Greifer in Position für eine Bildaufnahme sind. Diese nimmt ein Bild auf und gibt eine Punktewolke an eine Softwarelösung von ONTEC auf Basis der Standardsoftware HALCON weiter, die die Koordinaten der Spulen auf der Palette an den Roboter meldet. Der Roboter kann anschließend die Spulen ordnungsgemäß aufnehmen und weiterverarbeiten. Sobald der Greifer eine Schicht der Garnspulen abgeräumt hat, nimmt die Ensenso-Kamera ein Bild des Verpackungsmaterials auf, das zwischen den Garnspulen liegt, und liefert auch davon Punktewolken. Diese Punktewolken werden analog verarbeitet, um dem Roboter die Informationen zu liefern, mit denen ein Nadelgreifer die Zwischenlagen entfernt. "Durch diese Vorgehensweise müssen Anzahl der Lagen und Schlichtmuster der Paletten nicht im Vorfeld definiert werden und selbst unvollständige Paletten können problemlos verarbeitet werden", erklärt Tim Böckel, Softwareentwickler bei ONTEC. "Der Greifer muss für den Einsatz des Nadelgreifers nicht umgerüstet werden. Für diesen Anwendungsfall verfügt er über eine normale Greifkomponente für die Spulen und eine Nadelgreifkomponente für die Zwischenlagen."

Für diese Aufgabe, den mobilen Einsatz zur 3D-Erfassung bewegter und statischer Objekte auf dem Roboterarm, eignet sich die Ensenso 3D-Kamera durch ihre kompakte Bauform. Die 3D-Stereo-Elektronik der Ensenso N 45 ist vollständig vom Gehäuse entkoppelt und ermöglicht die Verwendung eines leichten Kunststoffverbunds als Gehäusematerial. Das geringe Gewicht erleichtert den Einsatz auf Roboterarmen wie dem des Smart Robotic Asstistant. Auch anspruchsvollen Umgebungsbedingungen ist die Kamera gewachsen. "Herausforderungen bei dieser Anwendung finden sich vor allem in den unterschiedlichen Lichtverhältnissen, die sich in verschiedenen Räumen der Halle und zu verschiedenen Tageszeiten zeigen", beschreibt Tim Böckel die Situation. Der integrierte Projektor der Kamera projiziert jedoch auch bei schwierigen Lichtverhältnissen eine kontrastreiche Textur auf das abzubildende Objekt und ergänzt somit die auf dessen Oberfläche nicht oder nur schwach vorhandenen Strukturen. Damit entspricht die integrierte Kamera genau den Anforderungen. "Durch Vorkonfiguration innerhalb von NxView konnte die Aufgabe gut gelöst werden." Dieses Beispielprogramm mit Source-Code demonstriert die Hauptfunktionen der NxLib Bibliothek, mit der sich eine oder mehrere Stereo- und Farbkameras öffnen lassen, deren Bild- und Tiefendaten visualisiert werden. Parameter wie Belichtungszeit, Binning, AOI und Tiefenmessbereich können - wie in diesem Fall - für das angewendete Matching-Verfahren live angepasst werden.

Das Matching-Verfahren ermächtigt die Ensenso 3D Kamera, mittels der auf die Oberfläche projizierten Hilfsstrukturen eine sehr hohe Anzahl an Bildpunkten, inklusive ihrer Positionsänderung, zu erkennen und daraus eine vollständige, homogene Tiefeninformation der Szene zu erstellen. Dies sorgt wiederum für die erforderliche Präzision, mit der der Smart Robot Assistant vorgeht. Weitere Auswahlkriterien für die Kamera waren unter anderem das Standard Vision Interface Gigabit Ethernet sowie der Global-Shutter 1.3 MP-Sensor. "Die Kamera macht zugunsten einer schnelleren Durchlaufzeit nur ein Bild von der gesamten Palette, muss dabei aber aus verhältnismäßig großer Entfernung die Koordinaten mit einer Genauigkeit im Millimeterbereich liefern, um dem Roboterarm ein exaktes Greifen zu ermöglichen", erklärt Matthias Hofmann, Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung bei ONTEC. "Wir brauchen daher die hohe Auflösung der Kamera, um die Ränder der Spulen sicher mit der 3D Kamera aufnehmen zu können." Die Lokalisierung der Ränder ist dabei wichtig, um als Greifposition wiederum eine möglichst genaue Positionsweitergabe der Mitte der Spule an den Greifer weitergeben zu können.

Zudem ist die Kamera speziell für den Einsatz in rauen Umgebungsbedingungen konzipiert. Sie verfügt über einen verschraubbaren GPIO-Stecker für Trigger und Blitz und sind in der Schutzart IP65/67 vor Schmutz, Staub, Spritzwasser oder Reinigungsmitteln geschützt.

Software

Das Ensenso SDK ermöglicht die Hand-Auge-Kalibrierung der Kamera zum Roboterarm, was eine einfache Translation bzw. Verschiebung der Koordinaten mithilfe der Roboterpose ermöglicht. Zusätzlich wird durch Verwendung der internen Kameraeinstellungen bei jedem Durchgang, d.h. bei jedem Bildtrigger, eine "FileCam" von der aktuellen Situation aufgenommen. Dies ermöglicht später eine einfache Nachstellung von eventuellen Edge Cases, in diesem Anwendungsfall beispielsweise unerwartete Lichtverhältnisse, Hindernisse im Bild oder auch eine unerwartete Positionierung der Spulen im Bild. Das Ensenso SDK erlaubt außerdem die Speicherung und Archivierung der internen Kamera LOG Dateien für eine mögliche Evaluation.

ONTEC nutzt diese "FileCams" auch, um Testfälle automatisiert zu prüfen und so bei Anpassungen der Vision-Software die korrekte Funktionsweise aller Konstellationen sicherzustellen. Zusätzlich können auf Basis der von ONTEC eigens entwickelter Leitsteuerung verschiedene Fahrzeuge koordiniert und logistische Engpässe minimiert werden. Unterschiedliche Assistants können dabei gleichzeitig auf engstem Raum navigiert werden und agieren. Durch den Einsatz des industriellen Schnittstellentools ONTEC SPSComm lassen sich auch Standard-Industrieroboter sicher in die Gesamtanwendung integrieren und Daten zwischen den verschiedenen Systemen austauschen.

Ensenso N45 Stereo-3D-Kamera - Genial in 3 Dimensionen