Aus gutem Holz
Vollautomatische Holzkörper-Kontrolle
Man braucht sie immer wieder: in der Metallverarbeitung, auf der Baustelle, in nahezu jedem Werkzeugkasten... die gute alte Handbürste. Ob klassische Allzweckbürsten oder Bürsten für den speziellen Einsatz, das Oettinger Unternehmen Lessmann GmbH hat sie so gut wie alle in seinem Sortiment. Die Form ist vielfältig, von geradlinig bis ergonomisch. Doch eins haben sie alle gemeinsam: Die Holzkörper werden ausschließlich aus unbehandelter Rotbuche gefertigt. Je nach Modell sind sie zudem mit zwei Aufhängelöchern am Griffende versehen. Die Produktion erfolgt vollautomatisch und höchst rationell. Um dabei den eigenen Anspruch an die hervorragende Qualität der Handbürstenhölzer zu sichern, setzt Lessmann bereits seit vielen Jahren auf klassische Bildverarbeitung. Doch jetzt hat das deutsche Bürstenunternehmen ("The German Brush Company") ein Bildverarbeitungssystem des bayerischen Systemhauses Simon IBV GmbH implementiert, das mithilfe von robusten IDS-Industriekameras und der Bildverarbeitungssoftware SIMAVIS® H selbst kaum wahrnehmbare Toleranzabweichungen besonders zuverlässig erkennt.
Anwendung
Die mit einer Produktionsleistung von 1500 Stück pro Stunde vollautomatisch gefrästen Bürstenhölzer werden durch eine getaktete umlaufende Kette mit köcherförmigen Aufnahmen aus der Fräsmaschine entnommen und auf ein Längsförderband abgeschoben. Auf dem Förderband ist ein Mehrkamerasystem installiert, das die 2 bis 6-reihigen Handbürstenhölzer auf Fehler wie Risse, Absplitterungen und Größe überprüft. "Die Prüfaufgabe ist deshalb besonders anspruchsvoll, weil die unbehandelte Rotbuche in ihrer Farbe und Maserung sehr unterschiedlich ist. So lassen sich beispielsweise Risse nicht immer eindeutig von dunklen Maserungen unterscheiden", erklärt Daniel Simon, Prokurist bei SIMON IBV. Doch die Wahl der Holzart hat gute Gründe: Zum einen empfiehlt sich Rotbuche für die Fertigung von Handbürsten durch seine hervorragenden Eigenschaften, wie einen speziellen Härtegrad. Zum anderen spielt Nachhaltigkeit eine große Rolle. Lessmann kann das Bürstenholz aus der Umgebung beziehen und damit sowohl die regionale Forstwirtschaft unterstützen als auch Transportwege vermeiden.
Während die Hölzer die Produktion auf einem Band durchlaufen, werden insgesamt vier IDS-Kameras des Typs GigE uEye FA durch einen sogenannten Inkrementalgeber getriggert. Dieser Sensor reagiert auf die Bandposition, sodass jede Lageänderung des Bürstenkörpers durch die Bandbewegung erfasst wird. Die Bildaufnahme erfolgt je Kamera um 2,5 mm versetzt, somit nimmt jede Kamera alle 10 mm ein neues Bild auf. Die aufgenommenen Bilder werden so lange verworfen, bis die erste Kamera erkennt, dass sich ein Holzkörper im Sichtfeld befindet. Ab diesem Zeitpunkt werden die anderen drei Kameras scharf geschaltet und bis zu 35 Bilder je Kamera aufgenommen. Die Anzahl der Bilder wird durch Kamera 1 begrenzt, da diese ausgibt, sobald kein Bürstenkörper mehr zu sehen ist.
Die von den IDS-Kameras erfassten Bilder werden parallel zur Bildaufnahme bereits vorverarbeitet und zusammengesetzt. So können während der Zeit der Auswertung bereits der Bildeinzug sowie die Vorverarbeitung der nächsten Bürste erfolgen. Die Einzelbilder derselben Situation der vier versetzten Kameras werden mithilfe der Software zugeschnitten, skaliert und zu einem Gesamtbild zusammengeführt. Dabei werden die Bürstenkörper je Kamera mit verschieden gewichteten Kriterien bewertet. Die Gewichtung erfolgt über die Prüfreihenfolge der Auswertkriterien. In einem ersten Schritt werden grobe geometrische Faktoren, wie Länge, Breite, Höhe, Symmetrie und Formabweichungen ausgewertet.
Die Bohrungen im Bürstenkörper werden auf Position und Überdeckung kontrolliert: befinden sich die Bürstenkörper-Außenmaße innerhalb der Toleranz? Ist der Bürstenkörper unsymmetrisch oder verformt? Besitzen die Löcher den korrekten Durchmesser und die richtige Position?
Anschließend folgt die schrittweise Oberflächenprüfung:
"Zunächst werden dunkle Stellen segmentiert und nach Sollwertvorgaben bewertet", erklärt Matthias Eimer, Systemintegrator bei Simon IBV. "Danach werden abweichende Verfärbungen gesucht, vereinzelt und nach Sollwertvorgaben bewertet." Selbst die Toleranzen für raue Stellen sind in den Sollwerten einstellbar und werden anschließend bewertet. Erst im letzten Schritt der Einzelbildauswertung suchen die Kameras nach Rissen. Aus den einzelnen Auswertungen der Ansichten wird schließlich das Gesamtergebnis gebildet und zusammengeführt. Insgesamt prüft das System 32 Sollwerte, davon allein 27 auf die Einhaltung genau definierter Toleranz-Angaben.
Die eingesetzten uEye Kameras aus der FA-Familie sind besonders widerstandsfähig und damit prädestiniert für den Einsatz in einer so rauen Umgebung wie der Bürstenfabrik. Kameragehäuse, Objektivtuben und die verschraubbaren Steckverbinder erfüllen die Anforderungen der Schutzart IP65/67. Auch für den hier erforderlichen Mehrkamerabetrieb sind sie durch den integrierten Bildspeicher optimal geeignet, denn dieser entkoppelt die Bildaufnahme von der Bildübertragung und ermöglicht in dieser Anwendung die Pufferung der Bilder vor der Übertragung. Die GV-5280FA Industriekameras mit GigE Vision Firmware sind mit dem 2/3“ Global-Shutter CMOS Sensor IMX264 von Sony ausgestattet, der zudem für eine hervorragender Bildqualität, hohe Lichtempfindlichkeit und einen außerordentlich hohen Dynamikumfang sorgt. So liefern die vier eingesetzten CMOS Kameras nahezu rauschfreie, sehr kontrastreiche 5 MP-Bilder. Mit exakt diesen Features empfahl sich das Kameramodell für den Einsatz in der anspruchsvollen Bürstenprüfung. "Die Kamera passt von der Auflösung, der verbaute Sony-Sensor ist sehr gut und die Schutzart wird erfüllt", bringt Daniel Simon die Auswahlkriterien auf den Punkt.
Einfach zu integrieren sind IDS Kameras getreu dem Firmenmotto "It's so easy" allemal, das weiß Daniel Simon aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit mit IDS. Herzstück der Lösung ist die eigens entwickelte Software des Lösungsanbieters.
Software
SIMAVIS® H ist eine Bildverarbeitungssoftware, mit der Komplettlösungen schnell zusammengestellt werden können. Diese Machine-Vision-Software basiert auf ProVision® (ehemalige SIEMENS-Entwicklung) und HALCON, einer umfassenden Standardsoftware für die industrielle Bildverarbeitung mit integrierter Entwicklungsumgebung. Diese ermöglicht die individuelle Anpassung an die Anforderungen der Prüfung der Holzbürstenkörper: "Die Prüfung auf Fehler wurde von uns einzeln von Hand programmiert, wir haben hier im Bereich Holzoberflächen viel Erfahrung. Die Toleranzschwellen können je nach Merkmal durch die vielen Sollwerte eingestellt werden", betont Daniel Simon. SIMAVIS® H bietet eine intuitive Bedienoberfläche für das Bedienpersonal des fertigen Systems, inklusive Hand- und Automatikbetrieb mit Typverwaltung, Sollwertmenü, Berechtigungskonzept, Sprachumschaltung, Statistikmodul und vielem mehr.
Durch die Kontrolle ist eine automatische Weiterverarbeitung möglich. Mit der neuen Bildverarbeitung können Holzfehler jetzt zuverlässiger erkannt werden.
Ausblick
"Der Anteil fehlerhafter Holzkörper die als gut klassifiziert werden, ist von rund 2 Prozent auf nun unter 1 Prozent gesunken.", erklärt Geschäftsführer Jürgen Lessmann. Das anschließende Besetzen der Bürstenkörper mit Draht erfolgt bereits vollautomatisch, das Verpacken der fertigen Handbürsten kann künftig mithilfe von Robotik ausgeführt werden. Durch die verbesserte Kontrolle der Holzkörper kann die bisher notwendige manuelle Qualitätskontrolle der fertigen Handbürste entfallen. Vor dem Verpacken, das von einem SCARA Roboter ausgeführt wird, ist lediglich eine kurze Sichtkontrolle nötig. Dadurch wird das Maschinenpersonal entlastet und die Produktivität steigt. Bei dieser beispielhaften Anwendung bietet künftig auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz weiteres Potential. "Mit KI wird wohl das Prüfergebnis weiter verbessert, was eine weitere Automatisierung der Fertigung zulässt, da manuelle Kontrollarbeitsgänge entfallen können", prognostiziert Jürgen Lessmann.
Und das nicht nur für Bürsten aus gutem Holz: das Mehrkamera-Prüfsystem ist für zahllose Produkte und Materialien adaptierbar.
GigE uEye FA - stark und robust
- Modell: UI-5280FA-C-HQ
- Interface: Ethernet
- Sensortyp: CMOS
- Hersteller: Sony
- Framerate: 24,0 fps
- Auflösung: 5,01 MPixel
- Shutter: Global-Shutter
- Sensorformat: 8,446 mm x 7,066 mm
- Maße : 41,0 mm x 53,0 mm x 42,7 mm
- Gewicht: 175g
- Anschluss: GigE M12, verschraubbar
- Anwendungen: Industrielle Bildverarbeitung, Maschinenbau, Oberflächeninspektion,Fabrik- und Prozessautomation
Kunde
Die Lessmann GmbH ist einer der führenden Produzenten für Werkzeuge zur Oberflächenbearbeitung in Europa. An den Produktionsstandorten Oettingen in Bayern und Solingen in Nordrhein-Westfalen fertigt Lessmann seit 1948 Oberflächenwerkzeuge in Form von technischen Bürsten "Made in Germany". Hochmoderne Fertigungsanlagen, durchgängige Qualitätskontrollen und permanente Tests sichern die Hochwertigkeit der Bürsten. https://www.lessmann.com/
Systemintegrator
Die SIMON IBV GmbH ist Hersteller von Lösungen im Bereich der industriellen Bildverarbeitung. Weiterhin ist das Unternehmen Entwickler einer eigenen Standard-Software für Bildauswertungen sowie Hersteller von Hardwarekomponenten, die speziell für optische Prüfsysteme konzipiert wurden. https://simon-ibv.de/