Gefahr erkannt, Gefahr gebannt

Automatisches Waldbranderkennungssystem mit KI ermöglicht frühzeitige und effiziente Brandbekämpfung

Durch den Klimawandel verursachte Hitzewellen nehmen aktuell auch europaweit stark zu und die damit verbundene Waldbrandgefahr steigt immens. Immer häufiger geraten Brände in Naturräumen durch Trockenheit und Wind außer Kontrolle, das Risiko der Gefährdung von Mensch, Tier, Natur sowie Infrastruktur wächst. Doch wie kann man Brände frühzeitig erkennen und lokalisieren, um folgenschwere Schäden zu minimieren oder gar zu vermeiden?

Mit Bildverarbeitung und künstlicher Intelligenz lassen sich solche Herausforderungen meistern. Neuronale Netze und Deep Learning-Algorithmen versetzen ein Bildverarbeitungssystem in die Lage, Objekte zu sehen, wiederzuerkennen und zu verifizieren - in diesem Fall Rauch.

Das französische Unternehmen Paratronic hat sich dieses Themas angenommen. Im Rahmen seines Tätigkeitsfeldes, der Überwachung von Naturgefahren, widmet sich der Lösungsanbieter u.a. erfolgreich der Entwicklung von intelligenten Produkten zur Brandüberwachung. Im Einsatz bewährt hat sich deren automatisches Waldbranderkennungssystem ADELIE (Alert Detection Localisation of Forest Fire), dessen Schlüsselkomponenten Industrielle Bildverarbeitung und künstliche Intelligenz sind. Integriert sind pro System je vier Industriekameras der IDS Imaging Development Systems GmbH aus Obersulm.

Diese beobachten permanent ein bestimmtes Waldgebiet in einem Umkreis von bis zu 20 Kilometern. Je nach Anlage benötigen sie zur Kontrolle eines Radius von 360 Grad maximal zwei Minuten. Mithilfe der von Paratronic eigens entwickelten Algorithmen ist das System in der Lage, anhand der aufgenommenen Bilder Brandherde zu erkennen und zu lokalisieren sowie in Echtzeit Informationen für entsprechende Handlungsoptionen bereit zu stellen. So gewährleistet ADELIE eine effiziente Planung und Lenkung der Feuerwehr-Einsatzkräfte zum Schutz unseres Lebensraumes und nicht zuletzt zum Schutz von Gebäuden, Stromleitungen, Telekommunikationsleitungen, Straßen- oder Schieneninfrastruktur.

Anwendung

Das ADELIE-System setzt sich zusammen aus mindestens zwei Überwachungspunkten, die miteinander vernetzt sind. Jeder Überwachungspunkt besteht aus zwei Detektionskameras und einer zusätzlichen Kamera, die zur Beseitigung von Zweifeln dient. Pro ADELIE-Detektionskamera sind vier Gigabit Ethernet-Kameras von IDS integriert. Insgesamt kommen so acht IDSKameras pro Überwachungspunkt zum Einsatz. Diese Überwachungspunkte ermöglichen eine 360°-Überwachung, wobei jeder Azimut etwa alle zwei Minuten visualisiert wird. Die automatische Überwachung des beobachteten Naturraumes erfolgt rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag, an sieben Tage in der Woche.

Das System ist mit einer Verarbeitungseinheit verbunden, deren Software auf künstlicher Intelligenz basierende Bildverarbeitungsalgorithmen enthält. Das von Paratronic entwickelte Programm registriert, vergleicht und analysiert die von den Kameras gelieferten Aufnahmen. Lange bevor ein Baum brennt, wird Rauch aus dem umliegenden Gras und Gestrüpp freigesetzt. Durch den Vergleich der Bilder und anhand eingelernter Merkmale erkennt das System den aufsteigenden Rauch. Sobald dieser Rauch von der Überwachungsstelle aus sichtbar ist, löst ADELIE Alarm aus. Diese Phase wird als automatische Brand- und Waldbranderkennung bezeichnet. Der diensthabende Bediener steuert daraufhin die Kamera zur genannten Zweifelsdetektion aus der Ferne und überprüft die Art der Erkennung. Er lokalisiert den Brandherd mittels Triangulation auf einer Karte und informiert die Einsatzzentrale, die die Brandbekämpfungsmaßnahmen einleitet.

Gleichzeitig werden sämtliche Informationen, Bilder und von der KI gewonnenen Erkenntnisse ohne zeitliche Verzögerung an die Brandmeldezentrale oder das Brandkontrollzentrum übermittelt. Mithilfe der Echtzeit-Visualisierung des Ereignisses, der Lokalisierung des Brandherdes auf einer digitalen Karte sowie anhand verschiedener „Augmented Reality“-Funktionen können dort Kontext, Ausmaß, und Entwicklung des Brandes unmittelbar veranschaulicht und entsprechende Maßnahmen zur Brandbekämpfung getroffen werden. Eine ferngesteuerte Videokamera vervollständigt das System. Diese dient der Verifizierung und Überwachung des Feuers bis zum Eintreffen der ersten Löscheinheit und ermöglicht eine lückenlose Verfolgung des Brandes vom Ausbruch bis zu seinem Erlöschen.

Die IDS Kameras spielen eine wichtige Rolle für den Betrieb des ADELIE-Systems. Sie haben die Aufgabe, den Wald kontinuierlich Azimut für Azimut zu filmen und die Software mit diesen Bildern in Echtzeit zu versorgen.

— Edouard Bouillot, Leiter Projekte und Innovation bei Paratronic. —

Bei der Wahl des geeigneten Modells für das automatische Waldbranderkennungssystem fiel die Entscheidung zugunsten einer Gigabit Ethernet-Kamera aus der SE-Serie von IDS. „Unser System verwendet das Modell UI-5240SE-NIR-GL“, erklärt Loïs Carrié, Entwicklungsingenieur bei Paratronic. Diese besonders leistungsstarke Industriekamera ist mit einem 1,3 Megapixel CMOS-Sensor von e2v ausgestattet. Der hochempfindliche Sensor wird von Paratronic in der NIR-Variante (EV76C661ABT) eingesetzt. Neben der herausragenden Lichtempfindlichkeit bietet der Sensor jeweils zwei, im laufenden Betrieb umschaltbare Global- und Rolling-Shutter-Varianten. Dies ermöglicht maximale Flexibilität bei wechselnden Anforderungen und Umgebungsbedingungen, wie in diesem Fall verursacht durch unterschiedliche Tageszeiten und Witterung. Zusätzlich stehen vier Areas of Interest zur Verfügung. Damit können entweder mehrere Merkmale gleichzeitig überprüft oder die AOIs in einer Belichtungsreihe mit unterschiedlichen Parametern erfasst werden. Damit erfüllt die Kamera alle Anforderungen, bestätigt Loïs Carrié. „Wir haben dieses Modell aus drei Hauptgründen gewählt. Zum einen überzeugt es durch die spektrale Empfindlichkeit. Der Sensor nimmt alle sichtbaren Farbwellenlängen auf, mit einer besonders guten Empfindlichkeit im Nahinfrarot. Außerdem brauchen wir die Möglichkeit, einen Wellenlängenfilter in der Nähe des Sensors in den C-Mount zu setzen. Drittens erlaubt die Kamera die sequentielle Aufnahme von vier Bildern mit zunehmender Belichtungszeit. Die Serienbildaufnahme ermöglicht es, einen sehr hohen Dynamikbereich zu erhalten.“

Software

Zur Bildaufnahme verwendet das System das uEye SDK. „Dann kommt unser eigenes Bildverarbeitungssystem zum Zuge“, erklärt Edouard Bouillot. Die ADELIE-Software übernimmt anschließend die Bildanalyse, um das Vorhandensein von Rauch auf dem Kronendach zu erkennen. Die Analyse erfolgt durch den Vergleich von zwei Bildern, die in der gleichen Ausrichtung aufgenommen wurden, um eventuellen Rauch zu erkennen. Ermöglicht wird das durch mehrere exklusive, von PARATRONIC entwickelte Algorithmen, die den Vergleich einer sehr großen Anzahl von Faktoren erlauben, die mit dem bloßen Auge nicht sichtbar sind.

Diese Analyse wird in drei Phasen durchgeführt. In der ersten Phase werden die zu vergleichenden Bilder auf das nächste 50stel Grad genau registriert. In Phase zwei werden die Bilder miteinander verglichen, um etwaige Veränderungen, wie die Bewegung oder Verschiebung von Objekten oder das Auftreten von Rauch, hervorzuheben. In der dritten Phase erfolgt eine fortgeschrittene Analyse, die auf der Verwendung verschiedener Algorithmen beruht: Die hervorgehobenen Unterschiede werden nicht nur im Hinblick auf ihre Form, Größe, Entfernung usw. untersucht, um alle Elemente außer Rauch so gut wie möglich zu eliminieren. Weitere Algorithmen, die automatische Klassifizierer verwenden und mit Parametern arbeiten, die aus einem oder mehreren Bildern extrahiert werden, vervollständigen diese Analyse.

Die Daten werden dann über ein digitales Netz, z. B. über Glasfaserkabel, an das Computer-Kontrollsystem übertragen. Die jeweiligen Datensätze enthalten sowohl eine JPEG-Datei des Bildes für die Anzeige auf dem Bildschirm als auch eine Datei mit der Kameranummer, dem Blickwinkel, dem Datum und der Uhrzeit der Aufnahme sowie dem Azimut. Durch die Einbindung einer Wetterstation können auch meteorologische Daten wie Windstärke oder Niederschlag erfasst und berücksichtigt werden. Wenn ein Bild und die damit verknüpfte Datei einen Brand melden, wird eine automatische Prüfung durchgeführt: Das System schätzt den Standort des Rauchs und gleicht ihn dann mit bekannten Orten ab, an denen andere Arten von Rauch auftreten. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass nur dann ein Alarm ausgelöst wird, wenn die Detektion nicht in einer Ausschlusszone stattgefunden hat, d. h. in einem Bereich, in dem bekanntermaßen permanent Rauch vorhanden ist, wie z. B. in einem Fabrikschornstein. Wenn nur ein Turm den Rauch entdeckt hat, wird die in der Telemetrie angegebene Entfernung verwendet. Haben ihn mindestens zwei Türme entdeckt, erfolgt die genaue Lokalisierung des Brandherdes in der Zentrale durch Triangulation.

Wie bei jedem automatischen System ist auch bei ADELIE eine menschliche Validierung der übermittelten Alarme unerlässlich. Die Mitarbeiter der Leitstelle verwenden eine hochauflösende Kamera mit starkem optischen Zoom (30-fach, mit Weitwinkelobjektiv), um festzustellen, ob es sich tatsächlich um einen Brandausbruch handelt. Die für die Überwachung zuständigen Personen können dank dieser Kameras, den sogenannten Zweifelsdetektoren, die Situation aus der Ferne beobachten, ohne das Detektionssystem zu unterbrechen. Das ADELIE-Meldesystem bleibt also voll aktiv, um auch bei einem eventuellen Auftreten mehrerer Brände gewappnet zu sein.

Das System ist extrem leistungsfähig. Für jeden Standort werden innerhalb von 24 Stunden 13500 Bilder aufgenommen, übertragen und für 30 Tage gespeichert, unabhängig davon, ob sie eine Detektion enthalten oder nicht. Zusätzlich zu den aufgenommenen Bildern speichert das System auch die Videos der Kamera, die zur Beobachtung und Validierung des Vorfalls verwendet wurde, und ermöglicht so eine umfassende Dokumentation. Auf der Grundlage aller gesammelten Daten kann ADELIE Statistiken erstellen, anhand derer die Einsatzkräfte ihre Maßnahmen abstimmen und optimieren können. „Mit Hilfe der gespeicherten Bilder können wir den Brandverlauf und die anschließende Brandbekämpfung analysieren. Die Datenmenge wächst mit jedem Ereignis, das in die Datenbank einfließt, kontinuierlich an. Dies wiederum erhöht die Zuverlässigkeit der Statistiken, die für die kontinuierliche Verbesserung der Präventions- und Kontrollmaßnahmen erforderlich sind", fasst Edouard Bouillot zusammen.

Erfolgreich zum Einsatz kommt das System unter anderem im Departement Sarthe, dem waldreichsten Departement im nordwestlichen Viertel Frankreichs. Waldbrände gehören dort vor allem in den Frühjahrs- und Sommermonaten zunehmend zur Realität. Seit einigen Jahren kommt es immer häufiger zu Bränden in natürlichen Lebensräumen. Nach zahlreichen Waldbränden im Jahr 2019 wurden Anfang 2021 insgesamt 117.000 Hektar Wald mit einem Netz von automatischen Brandmeldeanlagen ausgestattet. An zwölf über das Departement verteilten Punkten in der Nähe besonders gefährdeter Gebiete überwachen inzwischen insgesamt 48 Kameras die Wälder über den Baumwipfeln.

Das ADELIE-System hat es uns ermöglicht, die Erkennungszeit und die Genauigkeit der Brandortung zu verbessern

— Christophe Burbaud, Hauptkommissar der Feuerwehr an der Sarthe (SDIS72) —

ADELIE ist also mehr als ein automatisches Brand- und Waldbrandmeldesystem, sondern ein integriertes Brand- und Waldbrandüberwachungs- und Informationsmanagementsystem. Damit trägt die französische Bildverarbeitungslösung entscheidend zur Schadensbegrenzung bei. Durch Brandfrüherkennung und genaue Lokalisierung von Feuerausbrüchen verringert es die Gefahr einer Ausbreitung erheblich und kann damit verbundene Schäden für Mensch, Umwelt und Volkswirtschaft minimieren.

Kamera