KI für die Lebensmittelindustrie
IDS NXT Kameras mit künstlicher Intelligenz können Aufgaben lösen, bei denen es um die Erfassung organischer und variantenreicher Objekte geht. Im Gartenbau oder in der Landwirtschaft sind sie zum Beispiel die Augen von Ernterobotern oder Rosenabschneidern, können Setzlinge kontrollieren oder Schädlinge identifizieren. In der Lebensmittelindustrie bieten sie enorme Erleichterungen für Qualitätsprüfung und Vollständigkeitskontrolle. Über die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von Bildverarbeitung mit KI im Food-Sektor lesen Sie im ausführlichen FOOD-Lab Interview:
Bei unseren Industriekameras mit künstlicher Intelligenz können unsere Kunden die neuronalen Netze individuell ohne KI-Vorwissen
selbst trainieren.
FOOD-Lab: Hallo Herr Hartmann, Herr Schick, danke für den freundlichen Empfang. Als Sohn des Firmengründers Jürgen Hartmann sind Sie, Herr Hartmann, im März in die Geschäftsführung berufen worden. Wie nahm denn die Firma ihren Anfang?
Hartmann: Nach seinem Studium begann mein Vater seine Laufbahn zunächst bei einem amerikanischen Unternehmen. Dort wurde er mit Kundenproblemen konfrontiert, die dieses nicht lösen konnte. Daraufhin hat er 1997 mit einem Partner IDS gegründet, zunächst als Händler für Bildverarbeitungskomponenten (BV). Noch in 1997 wurde das erste eigene Produkt zur Digitalisierung analoger Kamerabilder auf den Markt gebracht. Dazu wurde eine Einsteckkarte an den Computer angeschlossen, mit deren Hilfe die Bilder digital weiterverarbeitet werden konnten. Um das Jahr 2000 kamen Digitalkameras auf den Markt, die zunehmend auch in der Industrie Einsatz fanden. Damit drohte unser Markt wegzubrechen. Als Konsequenz haben wir rechtzeitig mit der Entwicklung digitaler Industriekameras begonnen. Darüber hinaus waren wir der erste Kamerahersteller, der die zunächst nur im Consumer-Bereich bekannte USB-Schnittstelle industrietauglich gemacht hat. Durch diese mutige Entscheidung haben wir uns bis heute zu einem der führenden Hersteller in diesem Segment entwickelt.
FOOD-Lab: Sie bieten Kameras für vielfältige Einsatzzwecke an, sicher auch für den FOOD-Industrie-Sektor?
Hartmann: Es gibt eigentlich keine Grenzen. Die Industrieanwendungen sind in der Tat sehr breit aufgestellt. Zuweilen überrascht es uns selbst, mit welchen Anwendungsideen Kunden auf uns zu kommen. Klassisch sind Maschinen- und Anlagenbau, Qualitätskontrolle in Produktionsanlagen, aber beispielsweise auch Bewegungsanalysen im Sportbereich.
FOOD-Lab: Was ist Ihr Alleinstellungsmerkmal?
Hartmann: Unser Vorteil in Punkto Qualität ist der Standort Deutschland, denn wir entwickeln und fertigen nur hier. Alle mechanischen Komponenten stammen aus der Region. Elektronische Bauteile kann man nur aus Asien beziehen; unsere Sensoren erhalten wir unter anderem vom Marktführer Sony. Wichtig ist die von uns selbst entwickelte Software. In unserer Softwareentwicklung arbeiten doppelt so viele Kollegen wie in der Hardwareentwicklung. Die Funktionalität, die Treiber, die Schnittstellen… all das steht bei uns hier vor Ort im Fokus. Einziger ausländischer Entwicklungsstandort ist neuerdings Serbien. Von dort aus unterstützt uns ein Expertenteam bei der Entwicklung von KI-Software.
Schick: Hier in Obersulm auf dem Firmengelände, das erst kürzlich durch das b39-Technologiezentrum erweitert wurde, haben wir sehr kurze Wege zwischen den Entwicklungsabteilungen und der Fertigung. Dadurch können wir sehr schnell auf Kundenbedürfnisse reagieren und diese entsprechend umsetzen.
Hartmann: Es gibt ein weiteres wichtiges Merkmal im Vergleich zum Wettbewerb. Bei unseren Industriekameras mit künstlicher Intelligenz können unsere Kunden die neuronalen Netze individuell ohne KI-Vorwissen selbst trainieren.
FOOD-Lab: Was bedeutet künstliche Intelligenz bei Ihren Kameras?
Hartmann: Es ist ein relativ neues Thema, weil zunächst noch Rechnerleistung fehlte. Man sprach bisher nur von Algorithmen, die als bestimmte Handlungsanleitungen zur Lösung eines Problems entwickelt wurden. Durch KI können unsere Kameras jetzt Aufgaben bewältigen, die mit regelbasierter BV bisher nicht oder nur sehr aufwendig zu lösen waren. Künstliche Intelligenz erschließt völlig neue Anwendungsfelder für Kameratechnik und Bildverarbeitung. Sie erlaubt Bildverarbeitung mit stark variierenden Objekten. Beispielsweise wenn es darum geht, unterschiedliche Obstsorten zu klassifizieren oder schadhafte Teile zu identifizieren. Alle auftretenden Varianzen mit klassischer Bildverarbeitung zu beschreiben, wäre extrem zeit- und damit kostenaufwendig. Mit künstlicher Intelligenz lassen sich solche Herausforderungen dagegen im Handumdrehen bewältigen.
Hartmann: Mit IDS NXT haben wir eine Plattform für eine neue Generation von Vision Systemen für industrielle Anwendungen geschaffen. Die Philosophie dahinter bedeutet einen Paradigmenwechsel: Unser Ziel ist es, nicht länger nur einzelne Komponenten zu entwickeln, sondern einfach zu handhabende und dennoch flexible Komplettsysteme anzubieten. Mit einem solchen System lassen sich von Bildaufnahme über Bildanalyse und –verarbeitung bis hin zur Steuerung industrieller Fertigungsmaschinen alle Schritte einer Vision-Lösung realisieren.
Schick: Mit IDS NXT Kameras und der dazugehörigen Cloud-basierten IDS lighthouse Trainingssoftware funktioniert das sogar ganz ohne Programmieraufwand. Anwender benötigen nur das Wissen über ihre Bilder und deren Bewertung, um ein neuronales Netz zu erzeugen. Denken Sie beispielsweise an Äpfel. Keiner gleicht dem anderen, sie unterscheiden sich in Form und Farbe und können faule Stellen aufweisen. Diese Abweichungen machen es für Sortier- und Überwachungssysteme schwer – anders als zum Beispiel in der Metallproduktion, wo jede Schraube nahezu identisch ist.
FOOD-Lab: Dann müssen aber erst alle Bilddaten erfasst werden, damit das System erkennen kann, wenn Abweichungen auftreten?
Hartmann: Wir können dem Kunden diese Arbeit nicht komplett abnehmen, weil wir einfach nicht über die Daten verfügen. Der Kunde kann aber seine Bilddaten an die Software übergeben; die Software trainiert das neuronale Netz. Somit trainiert der Kunde das Netz selbst bedarfsgerecht, aber ohne dass er sich vorher KI-Fachwissen aneignen muss. Wir assistieren, wenn zum Beispiel die Bilder verbessert werden müssen. Die KI ist direkt in die Kamera integriert.
Schick: Wir empfehlen unseren Kunden, zunächst mit kleinen Datensätzen von etwa 50 Bildern pro Klasse zu beginnen. Damit lässt sich schnell evaluieren, ob sich die Aufgabe mit KI lösen lässt.
Hartmann: Unser Vertrieb unterstützt den Kunden bei der Lösungsfindung, egal ob mit KI-Ansatz oder klassischer Bildverarbeitung.
FOOD-Lab: Was unternimmt IDS, um Ihren Kunden das Potenzial der neuen Technologie zu erläutern?
Hartmann: Unsere Entwicklungsabteilung erarbeitet immer wieder praxisnahe Demoprojekte. So haben wir beispielsweise eine Qualitätsprüfung von Schaumküssen simuliert. Unser intelligentes Kamerasystem IDS NXT erkennt schnell und zuverlässig jeden Riss, jede Delle und andere Qualitätsmängel. Ein anderes mögliches Beispiel ist die Erkennung von Nüssen in Nussschokolade. Geprüft wird auf Unversehrtheit und gleichmäßige Verteilung pro Tafel. Mit solchen Demos kann der Vertrieb Vorteile und Funktionsweise des Systems aufzeigen. Das Einsparungspotential ist gewöhnlich erheblich und amortisiert die Kosten für das System schnell. Man kann hier mit relativ geringem Aufwand schon hohe Erfolgsquoten realisieren.
FOOD-Lab: Was schätzen Sie: Wie viele Bilder bräuchte man, um die korrekte Nussverteilung zu prüfen?
Schick: Man wird mit 50 Bildern nicht 100% Erkennungsquote erreichen, aber sicherlich relativ nah dran.
Hartmann: Angesichts des hohen Kostendrucks und der bisher sehr niedrigen Automatisierungsquote in der Lebensmittelindustrie kann bereits eine zunächst teilautomatisierte Lösung eine echte Verbesserung bedeuten. So können z. B. in der Qualitätsprüfung oder Produktklassifizierung direkt Produktionskosten und Zeit eingespart werden.
FOOD-Lab: Wo sehen Sie Anwendungen in der Food-Industrie?
Schick: Denken Sie an Fischverarbeitung. Die Kamera sagt dem Roboter, wo der Fisch auf dem Band liegt, wo der Rücken, wo die Schwanzflosse, etc., um ihn weiter verarbeiten zu können. Solche und ähnliche Fragen gibt es auch in der Fleischindustrie, bei der Qualitätsprüfung von Obst und Gemüse und den beschriebenen Süßwaren. Eine andere Anwendung betrifft Bäckereien, also die Erkennung der Brotbräunung von außen. Es betrifft z. B. auch die Verpackung von Toastbrot in Boxen, wo es um die korrekte Verteilung der Pakete geht.
Hartmann: Wir haben auch Kamerasysteme in der Landwirtschaft im Einsatz, Stichwort Precision Farming. Der Einsatz von Herbiziden soll durch gezielte Identifikation von Nutzpflanzen und Unkraut reduziert werden. Ein weiteres Thema ist die Produktreifung.
FOOD-Lab: Da sind wir dann bei Klassikern wie Parmaschinken oder Parmigiano- Käse. Bisher wird das mit klassischen akustischen Methoden geprüft, zum Beispiel wird beim Schinken durch Klopfen geprüft, ob sich das Fleisch vom Muskel gelöst hat, was nicht akzeptabel wäre.
Hartmann: Solche Probleme kann man sicherlich auch durch intelligente Kamerasysteme lösen, wenn entsprechende Parameter optisch definiert werden können. Es gibt eine große Anzahl an Anwendungen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Wir sind gespannt, welche Herausforderungen der Lebensmittelindustrie wir künftig meistern dürfen. Nach unserem Motto „it’s so easy“ wollen wir auch hier einfache Lösungen anbieten.
Vielen Dank!